Sommergärten bei Nacht
Von Nachtduftern, Nachtblühern und Nachtfaltern
Schon bald können wir sie wieder genießen, die warmen Nächte des Sommers! Sie bieten uns die Gelegenheit, in eine oft wenig bekannte Welt einzutauchen: unseren nachtdunklen Garten. Ein geheimnisvolles Reich. Denn mit der Abenddämmerung kehrt nur scheinbar Ruhe rund um unsere Staudenpflanzungen oder im frisch angelegten Gemüsegarten ein. In Wirklichkeit spielt sich im Garten auch ohne Beleuchtung das pralle Leben ab, voller schwirrender Bewegung, eleganter Blütenentfaltung und verlockender Düfte. Eine mitreißende Darbietung! Mitten im nächtlichen Treiben droht allerdings auch Gefahr, zumindest für manche. Aber dazu kommen wir später.
Ein schönes Paar: duftende Pflanzen und ihre Bestäuber
Wichtige Akteurinnen des Gartenspektakels bei Nacht sind die unterschiedlichsten nachtduftenden Pflanzen. Das können heimische Gehölze wie das Wald-Geißblatt (Lonicera periclymenum) oder das Garten-Geißblatt (Lonicera caprifolium) sein, einjährige Pflanzen wie das Einjährige Silberblatt (Lunaria annua), die zweijährigen Nachtkerzen (z.B. Oenothera glazioviana) und natürlich mehrjährige Stauden wie die heimische Pracht-Nelke (Dianthus superbus) oder die exotische, nicht winterharte Abessinische Gladiole (Gladiolus murielae), die von August an blüht. Sie alle locken mit ihren individuellen, intensiven Düften ihre fliegenden Geschäftspartner an: die Nachtfalter.
Von denen baumeln nämlich die meisten des Nachts nicht schläfrig unter Laubblättern herum (anders als ihre Tagfalter-Verwandten!), sondern sie wagen sich kühn im Schutz der Dunkelheit heraus, um auf Futtersuche zu gehen. Schließlich sind um diese Uhrzeit weniger Fressfeinde unterwegs, und auch die nahrungssuchende Konkurrenz ist geringer als am Tag. Und so starten Myriaden von Nachtfaltern zu ihren nächtlichen Ausflügen, denn die meisten von den in Deutschland lebenden rund 3.700 Schmetterlingsarten sind nachtaktiv. Nur knapp 190 Arten sind die von uns wegen ihrer farbigen Schönheit oft bewunderten Tagfalter.
Nachtfalter – auf diese Pflanzen fliegen sie
Die in der Regel, aber längst nicht immer zurückhaltend gefärbten Nachtfalter suchen also zu fortgeschrittener Stunde nach geeigneten Blüten, aus denen sie mit ihren langen Rüsseln energiespendenden Nektar saugen können. Den erhalten sie natürlich nicht ohne Gegenleistung. Bei ihrem Besuch bestäuben die vielen Schwärmer, Spanner oder Spinner die Blüten ihrer duftenden Futterpflanzen und sorgen so für deren Vermehrung.
Zu den angeflogenen Stauden gehören im frühen Sommer zum Beispiel die heimische Gewöhnliche Mondviole (Lunaria rediviva) sowie die ebenfalls heimische Nachtviole (Hesperis matronalis), deren deutsche Namen bereits darauf hindeuten, dass sie ihre Stärken eher nachts ausspielen. Auch das Gewöhnliche Seifenkraut (Saponaria officinalis) oder die cremeweiße Stauden-Waldrebe Clematis recta sind heimische Nachtdufter. Außerdem ziehen viele Sorten vom Hohen Sommer-Phlox (Phlox paniculata) mit ihrem Duft Nachtfalter an, z.B. die Sorte 'Jasmina', eine Selektion aus unserer Gärtnerei. Zu seinem Blühzeitpunkt im April/Mai sind die lauen Sommernächte zwar noch ein wenig hin, aber der Wald-Phlox (Phlox divaricata) verzaubert ebenfalls auch nachts mit seinem Duft, z.B. die hellblaue Sorte 'Clouds of Pefume' oder die weiße 'White Perfume'.
Blühen auf, wenn wir schlafen gehen: Nachtblüher
Neben Stauden sowie ein- bis zweijährigen Gartenpflanzen kennen viele auch den zumeist als Balkonpflanze kultivierten Ziertabak (Nicotiana x sanderae), den umwerfend intensiv duftenden Jasmin (Jasminum officinale und andere Jasminum-Arten) oder die aus Südamerika stammenden Engelstrompeten (Brugmansia) als starke, exotische Nachtdufter. Doch sie alle sind nicht nur Nachtdufter, sondern auch Nachtblüher. Solche Pflanzen blühen oft erst am Nachmittag oder zum Abend hin richtig auf und verströmen vor allem während der Dämmerung und in der Nacht ihren betörenden Duft, nicht oder weniger tagsüber.
Typische Nachtblüherinnen sind auch die (ironischerweise als Taglilien bezeichneten) Hemerocallis. Hemerocallis citrina beispielsweise duftet zwischen Juni und Juli nachts intensiv nach Zitrone. Die Hemerocallis-Sorte 'Augustfreude' wiederum blüht und »nachtduftet« im Spätsommer. Auch die bereits erwähnten Nachtkerzen, darunter Oenothera odorata 'Sulphurea', sind Nachtblüherinnen. Die recht zügige Entfaltung ihrer Blüten ist ein schönes Naturschauspiel, begleitet von einem fruchtigen Duft.
Typisch Nachtschwärmer: Auch das Aussehen zählt.
Es ist sicher kein Zufall, dass nachtduftende Pflanzen oft helle bis blasse, in der Regel weiße oder hellgelbe Blüten entwickeln. Denn sie reflektieren das wenige Licht am besten, das abends oder nachts noch vorhanden ist und übrigens von den Nachtfaltern sehr viel besser wahrgenommen werden kann als von uns Menschen. Dieser optische Effekt sorgt zusätzlich dafür, dass Nachtfalter ihre Futterquellen finden.
Helle Blüten wie z.B. von der nachtduftenden Weißen Königs-Lilie (Lilium regale 'Album') sind allerdings auch für Menschen attraktiv, die ihren Garten besonders am Abend genießen möchten. Denn, während dunkle Farbtöne in der Nacht vor unseren Augen geradezu verschwinden, sehen wir helle Blüten immer noch recht gut, so dass der Garten durch sie für uns länger »erkennbar« bleibt. Am besten pflanzt man lichte Nachtdufter wie die äußerst imposante Madonnen-Lilie (Lilium candidum) deshalb nicht zu weit entfernt vom Lieblingssitzplatz und gern an einen windgeschützten Platz. Vorausgesetzt, man kommt mit dem intensiven, schweren Blütenduft dieser oder auch anderer Lilien bzw. anderer Stauden auf Dauer gut zurecht.
Heimische Arten für heimische Falter
Ganz in Weiß gestaltete Gärten nennen manche auch Mondgärten, weil deren Räume, die Pflanzensilhouetten und Beetstrukturen im Mondlicht besonders attraktiv aussehen und das Weiß oder Silber ihrer Blüten oder ihres Laubes dann geradezu leuchten. Allerdings sind längst nicht alle hellen Blüten, die zur Gestaltung zur Verfügung stehen, für unsere nachtschwärmenden Falter als Futterquelle interessant. Denn besonders gut sind nachtaktive Schmetterlinge an mitteleuropäische Pflanzenfamilien und -gattungen angepasst. Insbesondere was die Futterpflanzen für ihre Raupen anbelangt, benötigen die Tiere heimische Gewächse, zum Beispiel, je nach Gattung und Art, Pflanzen wie den Blut-Weiderich (Lythrum salicaria), den Echten Baldrian (Valeriana officinalis), die Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata), die Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea) oder (neben vielen anderen Salix-Arten) die Sal-Weide (Salix caprea). Exotische Pflanzen sind für die Vermehrung der Tiere meist nicht hilfreich. Beim Pflanzen eines schmetterlingsfreundlichen Gartens für Nacht- und auch Tagfalter sollte man diese Aspekte bedenken. Damit sind nicht heimische (und nicht invasive) Pflanzen natürlich nicht gleich verboten, die Freude an ihnen sollte unbedingt erlaubt sein! Aber ein Miteinander im Garten wäre schön. Zu wissen, dass man durch die eigene Pflanzenauswahl den Erhalt von Arten fördern und Insektenhunger stillen kann, tut auch der eigenen Seele gut.
Schließlich müssen unsere nektarsaugenden Gartenbesucher bei ihren nächtlichen Aktivitäten, zu denen auch Paarung und Eiablage gehören, viele Herausforderungen meistern. Gefährlich werden ihnen zum Beispiel die ebenfalls nachtaktiven, pfeilschnell jagenden Fledermäuse, zu deren Speiseplan sie gehören. Aber auch wir Menschen stellen eine Bedrohung dar.
Macht mal bitte jemand das Licht aus? Danke!
Denn leider werden die Nachtfalter, die sich am Mondlicht orientieren, von unserer Beleuchtung im Garten verwirrt. Deshalb sollten wir dort, wo es nur geht, die Beleuchtung im Garten ausschalten und lieber im letzten Abendlicht dem Nachtmahl der Falter auf unseren duftenden Blüten zusehen. Wir könnten doch, wie sie, die vielen herrlichen Düfte im Dunkeln wahrnehmen und genießen. Und so selbst zu Nachtschwärmern werden.